Fangen wir, wie passend, mit der anderen Seite an. Ich kann verstehen, warum Menschen dieses Buch nicht mögen. Das Thema ist doch zu konstruiert, nein, es ist zu abgenutzt, nein, zu utopisch, nein, es ist langweilig, was soll das mit der Freundin, und was das mit dem Sohn, das braucht es doch alles nicht, die Sprache ist so mager, nein, sie ist so aufgesetzt cool, also ich weiß nicht, fand ich mühsam, fand ich belanglos, fand ich überflüssig, fand ich keine Ahnung, bin nach dreißig Seiten ausgestiegen. Alles Gedanken, die ich zwischendurch auch hatte. Und trotzdem ist „Null K“ dann eben doch herausragend. Nicht für Don DeLillo, der schreibt jetzt immer so. Aber innerhalb des ganzen gefälligen Breis und auch innerhalb dessen, was gute, also etwas in einem bewegende Literatur ist.
Worum es geht? Grob gesagt: Superreiche lassen sich irgendwo in Kasachstan einfrieren, um zu einer medizinisch und gesellschaftlich besseren Epoche wieder ins Leben einzusteigen. Der Erzähler ist Jeffrey, Sohn von Ross Lockhart, der in dieses Design-Projekt, in dieses Kunst- und naturwissenschaftliche Werk nicht nur viel Geld gesteckt hat, sondern sich, ebenso wie Jeffs junge Stiefmutter Artis, einfrieren lassen will.
Der innere Monolog von eben dieser Artis, während ihres Übergangs, ist übrigens das Drehmoment des Romans. Ungeheuerlich. Bedeutend. Verwirrend und, tja, wahr?
Und Jeff erzählt von sich. Von sich als Sohn von Ross und von sich als Sohn von Madeline, der Frau, die Ross verlassen hat und die eines natürlichen Todes gestorben ist, ein Bild, das Jeff nicht loslässt. Er erzählt von Jeff dem Suchenden und Jeff dem Anschauenden und Jeff, dem Mann in New York. Und das ganze Buch erzählt etwas von unserer Gesellschaft. Natürlich, es ist von John DeLillo.
Es geht ums Leben. Und wenn es einem Autor dieses Charakters ums Leben geht, dann muss man das lesen. Um es zu teilen oder abzulehnen, egal. Aber hinterher ist man in seiner Haltung fester; was will man mehr.