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Reihe 14, Platz 10: „Nocturnal Animals“

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Als die Leinwand dann schwarz wurde, schallte es von unseren Sitznachbarn: „Ach, das war’s?“, es folgte ein verwundertes Kichern.
Wir schauten uns den Abspann an, und der längste Part war tatsächlich die Listung der Driver, was schon erstaunlich war, denn getippt hätte man auf die der Oberhemdenbügler.

Der zweite Film von Tom Ford, um es kurz zu machen, ist nicht so gut wie der erste, „A Single Man“. Ja, er ist auch ganz anders, aber er ist eben auch nicht so gut. Der Rahmen: Eine Frau liest das Roman-Manuskript ihres Ex-Mannes, das dieser ihr nach Jahren der Kontaktlosigkeit zugeschickt (und gewidmet) hat. Daraus ergeben sich drei Geschichten in einem Film.

 

Die erste handelt vom derzeitigen Leben der Lesenden. Susan ist Galeristin, Kuratorin, irgendwas mit Kunst in Los Angeles und wird immer poröser ob dessen, was sie „dieses Schrottleben“ nennt, zu dem obligatorisch zu gehören scheinen: ein Jeff Koons im Garten, gesichtsoperierte Mitarbeiterinnen, umwerfend aussehende, fremdgehende Ehemänner, perfekte Kleider an perfekten Frauen in perfekten Räumen mit perfektem Mobiliar usw. Tom Ford präsentiert also die bekannten bla-bla-Hauptsache-teuer-Abziehbilder, damit auch jeder Hinterwäldler sie als Insignien des schnöden Erfolgs identifizieren kann, weil: hat er auch schon mal in der Glotze gesehen. Zudem erfahren wir, dass an dem Vorurteil, Modemacher würden Frauen nicht besonders mögen, wohl was dran ist. Das Ganze trieft vor Klischees und ist damit so aufwühlend, wie Klischees es nun einmal sind. Vor allem jedoch, und das ist die eigentliche Funktion dieser Geschichte 1, beobachten wir Susan beim Lesen des Textes bzw. ihren Reaktionen darauf. Oh! Ah! Doppelschockschreck! Nein, subtil sind sie nicht.

Die zweite Geschichte erzählt von der jungen Susan, die sich in den Studenten Edward verliebt und ihn heiraten will. Was ihre Mutter, die Edward kennt, nicht billigt und das damit erklärt, junge Frauen würden die bürgerlichen Werte (vulgo: Geld) schnell zu schätzen lernen, auch wenn sie sie in jungen Jahren noch so vehement ablehnten. Edward wäre Susans Ansprüchen schlicht nicht gewachsen. Aber die beiden heiraten eben doch, und natürlich kommt es zu der Situation, in der sie zu ihm sagt: „Du willst in einer Buchhandlung arbeiten und einen Roman schreiben? Das ist ja romantisch, aber…“ Und dann passiert noch etwas, das ist aber der Schlüssel zu allem, das lassen wir jetzt mal.

Die dritte Geschichte ist der Roman von ebendiesem, jetzt fast zwanzig Jahre älteren Edward. Er handelt von Tony, der nachts mit Frau und Tochter in Texas auf dem Highway unterwegs ist, und an drei üble Gestalten gerät. Dass es nicht gut ausgehen wird, liegt in der Luft, ist grauenhaft unausweichlich

 

Das Schlüsselwort scheint „schwach“ zu sein. Susan ist zu schwach, aus ihrem Talmileben auszubrechen. Schwach, und nicht mehr romantisch-attraktiv, ist alsbald der junge Edward in den Augen seiner Ehefrau, die dann doch gerne ein bisschen, nein viel mehr weltlichen Erfolg sehen würde (Mutti hat’s ja gesagt!). Und schwach ist Tony, der Frau und Tochter nicht retten kann und sich in entscheidender Situation lieber verkriecht, als sich zu stellen.

Diese dritte Geschichte ist mit Abstand die beste. Die erste, wie schon geschrieben, wirklich belanglos und manchmal tut es weh, wie ungebrochen unoriginell das daherkommt. Die zweite Geschichte – Studenten verlieben sich und heiraten, stellen dann aber fix fest, dass sie unterschiedliche Ziele haben (Geld versus Kunst) – hat Dialoge, die so auf wer-schreibt-der-bleibt-Niveau taumeln. Aber die dritte Geschichte! Das Böse. Die unendliche Angst. Das kaum aushaltbare Gemeine. Die Unfähigkeit, seine Feigheit zu besiegen. Und ja, auch die perfekten Oberhemden, die so gut zum Mund von Jack Gyllenhaal passen… Die Aussage, dass die eigene Biografie nicht nur ein Resultat der individuellen Stärke, sondern auch, oder sogar vor allem, der individuellen Schwäche ist – das trifft. Ich mochte Michael Shannon als Cop. Und war immer genervt, wenn einem Tom Ford mal wieder eine visuelle Verknüpfung zwischen den Geschichten aufdrängte oder angeschickert im Reich der Metaphern und Symbole herumtorkelte.

Und das Ende? Das Ende ist gut, sehr gut. Fanden unsere Sitznachbarn eher nicht. Aber ich glaube, die dachten auch, Tom Ford ist der mit den Autos.

 

Wenn man dann zu Hause ist, denkt man noch einmal über den schmerzenden Anblick der obszön dicken, tanzenden Frauen am Anfang nach, und warum es ein Romanmanuskript ist, und was für Ziele die beiden jungen Menschen Susan und Edward wirklich hatten, und was dann passiert ist. Und was Tom Ford so beruflich macht. Es geht also wahrscheinlich auch noch darum, was Kunst mit Künstlern, mit Menschen macht. Aber das ist die Art von dekorativen Fragen, deren Beantwortung sich mal lieber weit hinten in der Reihe wichtiger Probleme anstellen soll.

 

Jetzt noch die Empfehlung:

++++++++ Alles in allem – angucken ++++++++

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